... und plötzlich gings mit dem Kleben endlich los.


... Als es dann wirklich los ging mit dem Kleben, war das zum Glück wesentlich einfacher als gedacht.

Erster Klebetag Mittwoch
Zwar wurde ich am ersten Tag nicht von Johnny, sondern von Maria begleitet (irgendwann muss ich ihr noch einmal ein großes Bild malen oder sie zum Essen einladen, so oft wie sie mir schon geholfen hat!). Angst hatte ich allerdings dabei in erster Linie nicht davor erwischt zu werden, sondern um meine Kamera. Schon auf den ersten Metern blieb Maria abrupt an einem Kiosk stehen und kaufte in Zeitlupe ein Wasser. Mit verstohlenen Blicken wies sie mich auf zwei verdächtig aussehende Gestalten hin, die angeblich schon den ganzen Tag um den Park schlichen, um arglosen Touristen Wertgegenstände anzuknüpfen. Erst als sie hinter der nächsten Kurve verschwanden, zogen wir weiter. Sicherheitshalber versteckte ich meinen Klunker (zum Glück versichert, auch gegen Diebstahl) lieber mal in meinem Einkaufsbeutel. Die erste Station war eine Nebenstraße, in der gerade eine Polizeiparade stattfand. Ich war sichtbar angespannt, Maria war glücklich mal nicht hinterm Schreibtisch zu sizten. Jetzt oder nie!  Keiner störte sich an unserer Aktion, auch wenn zahllose Autos Stop-and Go an uns vorbeifuhren. Scheinbar gehört die Papiercollage hier nicht zu den gefährlichen Techniken.
Als sich an der Aktion nicht einmal die Polizei störte, zogen wir sehr viel gelassener durch das Viertel. Meine Bastelkoffer erwiesen sich als äußert praktisch, da man auf ihnen gut den Kleber aufsprühen konnte.Allerdings blies mir der Wind die Bilder die ganze Zeit um die Ohren. Und dieser teure Sprühkleber hielt leider nicht das, was er versprach. Die Bilder verklebten perfekt aneinander – aber nicht an der Wand! Ich kam gar nicht mehr aus dem Fluchen heraus. Besonders, weil einige Bilder schon vor Ihrem Einsatz das Zeitliche gesegnet haben .... so der Hund mit der Frau (mist!). Schnell kamen wir in Kontakt mit den Bewohnern. Mittlerweile senkte sich schon die Sonne und überall plapperten Omas angeregt auf der Straße. Leider musste ich die Unterhaltungen mit den neugierigen Straßenhändlern alle Maria überlassen. Da grüßte mal wieder die Sprachbarriere. Nach gut zwei Stunden kehrten wir Goetheinstitut zurück. Mit verklebten Fingern – ich, sehr glücklich über die gelungene Aktion.

Am Abend zeigte meine indische Mitbewohnerin Subasri ihren Film über die Verfolgung von Muslimen in der Grenzregion Bangladesh (? nochmal genau recherchieren ?) in einem vom Goethe-Institut angemieteten Kino. Über den Film zu sprechen würde hier glaube ich den Rahmen sprengen. Nur so viel: es ging um Augenzeugenberichte von Muslimen 30 Jahre nach einem Massaker. Oft hatten diese Menschen ihre Kinder überlebt. Die Unterhaltung im Anschluss war mehr als angeregt ... auch wenn mir das Thema mir immer noch schwer im Magen liegt.

Zweiter Klebetag Donnerstag
Pünktlich um die Mittagszeit stand ein Kerl mit durch geschwitzten Shirt vor mir. Johnny erklärte mir, dass er ca. 15 Kilometer zurückgelegt hatte. Mit dem Skateboard, teilweise an Bussen hängend. Da ich am frühen Morgen bereits ein Interview hinter mir hatte, blinzelte ich ihn leicht verschlafen an. Gemeinsam manövrierten wir durch den Supermarkt, um das Material für den Kleber zu kaufen (Maisstärke + Zucker + Wasser). Als wir dann endlich los zogen, war ich ein bisschen nervös. Ich wusste noch nicht, ob er mit seiner "Alles-oder-nichts" Attitüde helfen würde, oder die Angelegenheit eher noch schwieriger gestalten würde. Aber alle Sorgen hätte ich mir sparen können, denn Johnny hat mir zur jeder Zeit unglaublich geholfen. Und immer wenn wir uns nicht verständigen konnten, rief er kurz seine Freundin an, die uns dann live beim Übersetzen geholfen hatte. Wirklich sehr charmant! Besonders wichtig für meine Arbeit war sein Instinkt. Er lotste mich geschickt zu Orten, an denen wir in Ruhe arbeiten konnten. Eine der Wände die ich ursprünglich ausgewählt hatte, lag zum Beispiel direkt gegenüber von einem Hotel. Er zog mich schnell in eine andere Gegend, um mir den Ärger mit gelangweilten Torwärtern zu ersparen. Ein anderes Mal – als wieder zwei zwielichtige Gestalten an uns vorbei zogen – blickte er aufmerksam über meine Schultern und behielt die Verdächtigen wachsam im Blick. Und auch wenn es einmal länger dauerte bis ich ihm mit Händen und Füßen mein Konzept vermitteln konnte, wartete er geduldig. Rauchte noch kurz eine Zigarette und dann machten wir weiter.
Als die Sonne unterging (gegen 17:20 Uhr) saßen wir beide verschwitzt und glücklich in einem kleinen Imbiss und tranken eine gekühlte Kokosnuss. Ich bin Johnny für seine Hilfe wirklich von ganzem Herzen dankbar. Er hat mir den ganzen Tag geholfen und tat das aus freien Stücken, ohne etwas im Gegenzug zu erwarten. Nicht nur habe ich durch ihn mein Projekt einen großen Schritt voranbringen können – sondern ich hatte auch das erste Mal mit einem lokalen Künstler auf Augenhöhe zusammengearbeitet. Zum ersten Mal kam ich mir in dieser Stadt dank Ihm nicht wie ein Fremder vor. Bevor er dann wieder mit dem Skateboard abzischte, bat ich seine Freundin darum, ihm meinen Dank zu vermitteln und das Angebot vom Goetheinstitut anzunehmen  und den Parkplatz zu bemalen. Ich bot ihm auch an ihm bei einem Projekt zu helfen – mit der kleinen Bitte, dass es möglichst nicht das gefährlichste sein möge.

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