Ein kurzer Wochenrückblick




Auch die zweite Woche war voll gepackt mit vielen Eindrücken. Ein kurzer Rückblick.


Donnerstag – Künstlerhaus und Candomblé



Am Donnerstag fuhren Maria, Sena und ich zu einem kleinen Künstlerhaus, welches ich schon am Wochenende zuvor besucht hatte. Diesmal half mir Maria beim Dolmetschen und so konnte ich mich mit Flávio intensiver unterhalten. Dieser betreibt das Haus  zusammen mit zwei weiteren Gründungsmitgliedern. So bieten sie Siebdruck-Workshops an und unterstützen Kulturaktionen in der Stadt, wie zum Beispiel den Kunstmartk Paraguassu (siehe dieser Eintrag). Dabei ergänzten sich im Haus viele Künstler*innen gegenseitig: Flávio selbst ist Mal- und Druckexperte, während eine weitere Künstlerin Bücher bindet. Einen Shop gäbe es nicht, da nur kleinere Auflagen hergestellt würden. Diese werden über die Netzwerke der Künstler*innen selbst verteilt. Spannend für mich war dabei zu erfahren, dass sie sich bei ihrer kulturellen Arbeit weitestgehend von der Stadt abgrenzten und bewusst autark finanzierten. So berichtete er mir von einem Vorfall von einer angrenzenden lokalen Sambaschule. Wenige Tage vor dem offiziellen Karnevalbeginn starteten sie einen alternativen Karneval, der weniger kommerziell und touristisch sein sollte. Nach einiger Zeit führte die Stadt diese Veranstaltung in Ihren eigenem Kalender mit auf, um es als "alternatives Kultur-Happening" zu bewerben und sich mit den Federn der Sambagruppe zu schmücken. Und das, obwohl sie die Gruppe mit keinem einzigen Real unterstützten. Flávio machte das wütend. Um das Künstlerhaus finanziell am Leben zu halten, betrieben er und die anderen Mitglieder eine Bar im unteren Geschoss, welche die künstlerische Arbeit im oberen Geschoss mitfinanziert. Auch gibt es in der Bar Kulturveranstaltungen. Flávio deutete mit seinem Zeigefinger auf das Dachgeschoss des alten Kolonialhauses: "Irgendwann können wir das Haus vielleicht weiter ausbauen und Kunstresidenzen anbieten, aber bis dahin ist es noch ein weiter weg". Flávio war mir von Anfang an sehr sympatisch, weil er a) sehr gelassen und herzlich ist und b) selbst Graffiti sprüht: bunte, große Affen. Wir vereinbarten, dass ich für meine kleine Kulturveranstaltung ein Siebdruckplakat in seiner Werkstatt anfertigen dürfte. Vielleicht könnte ich dort auch Künstlerdrucke machen, die zu Gunsten des Hauses in der Bar verkauft werden würden. Mich inspirierte dieser Ort sehr und weckte in mir den kleinen Wunsch, vielleicht später – in ferner Zukunft – auch mal so ein Künstlerhaus mit aufzubauen. Mit vielen bunten Affen drin und drauf.

Candomblé
Am Nachmittag  besuchte uns ein Professor, der einen Vortrag zum Thema " Candomblé" hielt. Das ist eine Religionsform, die sich unter den Afrikanern während der Versklavung auf den Schiffen über den Antlantik neu geformt hatte und in Brasilien noch immer in verschiedensten Ausprägungen existiert. Der Vortrag ging detailliert auf Bräuche, Gewänder und Initationsriten – bzw. die religiöse Neugeburt – ein. Da der Professor selbst Mitglied des Candomble ist, konnte er uns lebhaft seine eigenen Erfahrungen schildern und die verschiedenen Bedeutungen der Symbole beschreiben.
So weiß ich jetzt, dass Palmenöl in all seiner Konsistenz verschiedene heilige Sekrete der Götter darstellt: Blut, Schweiß und Sperma. Aha. Dieser Vortrag dauerte über drei Stunden und sprengte mein Auffassungsvermögen um ein Vielfaches. Als wir am Abend im Anschluss noch zu einem Fischrestaurant pilgerten (Muhamed sich wieder über irgend einen modernen Betonpfeiler freute) sinnierte meine indische Mitbewohnerin Subashi immer noch ganz entzückt über den Vortrag. Sie kommertierte sarkastisch: "Ach, Eure Generation ist das konzentrierte Zuhören wohl nicht mehr gewöhnt". Zu Tisch folgten ausführliche Gespräche über die Rolle Saudi Arabiens im mittleren Osten, Isreal und die britische Wahl. Ich kam mir nach der Unterhaltung ein bisschen wie das Küken der Gruppe vor. Zum Glück diesmal nicht auf der Anklagebank.

Freitag – Eine Rundfahrt
Pünktlich um 9 Uhr wurden wir Residenz von Felix, Wiebke, Maria und einem Fahrer mit dem Bus eingesackt und dann quer durch die Stadt gefahren. Es ging um Orte, die man nicht auf den ersten Blick entdeckt. Erste Station: ein riesiger, lokaler Gemüse- und Fleischmarkt. Ich war noch so verpennt, dass ich mein Handy im Bus vergessen hatte und Euch damit leider keine Bilder zeigen kann. Nur so viel: Adam war auf der Suche nach Duftkerzen und ich bin ihm quer durch diesen Komplex gefolgt. Dieser ähnelt einer kleinen Stadt. Überall rollten kleine Holzwägelchen umher – manchmal auch ein großer Laster. Fleisch aller Sorten wurde hier gepöckelt verkauft und hing in langen Fetzen von der Decke herunter. Felix schwärmte von einer rieeeeesigen Frucht, deren Namen ich leider vergessen habe und trug sie stolz wie einen Pokal durch die Gegend. Ich gönnte mir eine Kokosnuss. Immer wieder wurden wir von Schauern überrascht. Tropische Schauer, die anschließend eine diesige Hitze erzeugten und meinen Kreislauf ziemlich plätteten.


Die zweite Station war eine Kirche am Guten Ende. Sofort wollten verschiedene Straßenhändler uns kleine Armbändchen andrehen. Laut Felix leben die Menschen hier eine sehr "praktische" Religion.
Man band je drei Knoten in ein Armband. Jeder für einen Wunsch, der in nächster Zeit in Erfüllung gehen sollte. Da die Bänder ursprünglich aus Baumwolle angefertigt wurden, lösten sie sich langsam auf und –  taddaaa –  der Wunsch ging dann in Erfüllung. In der Kirche selbst bewegten wir uns respektvoll und unauffällig, da gerade eine Messe stattfand. So weit ich das beurteilen kann, sind brasilianische Kirchenmessen alles andere als trocken und steif. Überall hing Weihrauch in der Luft und es wurden Mitsing-Gitarrenlieder gespielt. Selbst für mich als Atheisten hatte diese Messe etwas ....  Lebensfrohes und Einladendes an sich. Die portugiesischen Keramikgemälde durften natürlich nicht fehlen, genau so wie ein (laut Felix) afrikanisches Brauchtum: an der Decke baumelten verschiedene Skulpturen von Körperteilen herum. Diese repräsentierten verschiedene physische Leiden, von welchen die Gläubigen sich Milderung erhofften. Auf eine gewisse Art auch sehr praktisch.



Danach ging es zu einem Restaurant, in dem mir Wiebke eine kleine Anleitung für einen guten Caipirinha gab (wird demnächst erprobt!). Als Vorspeise gab es kleine Teigbällchen, gefüllt mit Rindfleisch und einen wunderbaren Oktopussalat mit Koriander. Anschließend wurde eine Moqueca Fischpfanne serviert, zusammen mit delikaten Gesprächen über sexuelle Gewalt in Brasilien. Auch dank der Caipirinhas wurden die Tehmen aber zunehmend heiterer. Eine Stunde später ging es weiter in die traditionsreichste Eisiele der Stadt. Dort gab es Geschmäcker wie "Guave" oder auch "gebrannte Kokosnuss" im Angebot. Als ich verträumt auf die Boote schaute, wurde ich gleich wieder (sehr höflich) von Felix in den Bus gelotzt. Ich kam mir wie ein Rentner vor –  ein verpennter Rentner.



Als wir letztendlich in St. Antonio in ein traditionelles Cafe gelangten, war die Klassenfahrtsstimmung perfekt. Wir ließen unseren Blick über die untere Stadt schweifen und bewunderten die kleine Seilbahn, die zu uns nach oben führte. Der Mate-Tee weckte mich langsam auf.















































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